Das Angeln in Talsperren

Teil 1: Warum das Angeln an Talsperren so schwierig erscheint.

Wenn wir im Folgenden von Talsperren reden, dann wollen wir uns auf die größeren und tieferen Gewässer beziehen, nicht auf kleinere Staugewässer. Die großen Talsperren haben in der Regel zunächst die eine Funktion des Hochwasserschutzes, indem sie als Puffer bei größeren Niederschlagsereignissen dienen und bei wenig Niederschlag durch Ablassen von Wasser im nachfolgende Flusssystem die Pegel stützen. Einige geeignete Talsperren dienen auch zur Gewinnung von Trinkwasser wie in unserem Bereich z. B. die Verse- und Listertalsperre. Große Talsperren sind oft sehr tief und an der Sperrmauer werden nicht selten Wassertiefen bis 50 m gemessen. Da Talsperren nur in bergigen Gebieten gebaut werden können, liegen sie oft in klimatisch kälteren Regionen, was nicht ohne Folgen für die Wassertemperatur und die Bewohner bleibt. So ist das Wasser oft sehr klar und kälter und die biologische Produktivität wesentlich geringer als bei natürlichen Seen im Niederungsbereich.

Talsperren gelten in Anglerkreisen als „schwierige“ Gewässer. Im Gegensatz zu vielen natürlichen Seen sind sie meist tief mit „Badewannen-Profil“, d. h. steilen Uferbereichen. Kein Wunder, denn sie wurden ja extra so gebaut, dass möglichst viel Stauvolumen erreicht wird. Entsprechend unstrukturiert ist meist der Untergrund. Während es an natürlichen Seen häufig Unterwasserberge, Scharkanten, Halbinseln gibt, so ist das überstaute Flussbett oft die einzige Besonderheit bzw. Struktur am Gewässergrund. Da Fische sich aber immer dahin orientieren, wo sie Nahrung und Deckung finden, sind sie in strukturierten Gewässern einfacher zu finden. So kann man in kleinen Fließgewässern wie Bächen eigentlich schon vorhersagen, wo im Gewässerverlauf die nächste Forelle steht.

Gut strukturiert und „lesbar“: Fließgewässer im Sauerland

Talsperren sind aber nicht nur strukturarm, sondern meist auch sehr groß, was die Suche nach den Fischen zusätzlich erschwert.

 

Problematik Wasserstand

Es gibt an Talsperren wenig echte Flachwasserzonen, oft nur im Bereich des Flusseinlaufes und diese sind oft auch Schutzzonen, wo nicht geangelt werden darf. Demzufolge ist auch der Wuchs von Unterwasserpflanzen, die ja Schutz und Nahrung für allerlei Fische bieten, sehr begrenzt.

Hechte benötigen Flachwasserbereiche zur Fortpflanzung und Entwicklung

Der wechselnde Wasserstand tut sein Übriges. Die Laichgebiete der meisten Fischarten sind auf Pflanzen angewiesen und auch die Jungfischbestände haben es schwer, wenn die wenigen Versteckmöglichkeiten durch Wasserabsenkung verschwinden. Am Edersee, der zweitgrößten Talsperre Deutschlands fällt die Absenkung zuweilen sehr drastisch aus, der 26 km lange See fällt im Herbst bis auf wenige Kilometer vor der Sperrmauer zusammen, der größte Teil liegt dann trocken. Wird ab Juli stark abgelassen, sind die Fische ständig auf Wanderschaft – schwierig für die Angler!

Niedriger Wasserstand am Edersee – hier steht das Wasser bei Vollstau mehrere Meter hoch

Um Gewässer erfolgreich zu beangeln, gibt es immer die gleichen zwei Probleme: Erstens, zu wissen, wo die Fische sind und dann natürlich, mit welchen Angelmethoden man sie dort auch fangen kann. So kann der Angler noch so gewiefte Fangtechniken beherrschen, wenn er im leeren Wasser fischt, wird er auch leer ausgehen! Oder umgekehrt: an einer Stelle mit massig Fisch falsch angeln. Auch das ist oft genug der Fall, davon kann man sich im Internet anhand von vielen Videos, die mit Unterwasserkameras gemacht wurden, überzeugen.

 

Wo steht der Fisch in der Talsperre?

An allen Gewässern sollten sich Anglerinnen und Angler immer zuerst die Frage stellen: Wo findet der Fisch Unterschlupf/Deckung und Nahrung, also wo im Wasser werden seine Grundbedürfnisse abgedeckt? Wie bereits erwähnt, dienen Fischen Pflanzen, Bodenstrukturen, Totholz, Schatten am Ufer zur Deckung vor Fressfeinden. Fehlen diese Deckungsmöglichkeiten, sind die Fische gezwungen, ins Freiwasser auszuweichen, wo sich einige Fischarten durch Schwarmbildung schützen können. Neben Raubfischen haben sich in den letzten Jahren vor allem aber auch fischfressende Vögel wie Kormorane massiv vermehrt. Somit werden Fische dort – wo es möglich ist – zusätzlich gezwungen, tiefere Gewässerschichten aufzusuchen. Ist die Gewässertemperatur über den Jahresverlauf eher kalt, können die Fische sehr tief stehen, da sich auch im Sommer keine so genannte Sprungschicht richtig ausbildet, die das Leben der Fische unterhalb rund 10 Metern Tiefe unmöglich macht. Noch Ende April habe ich in der Listertalsperre beobachten können, wie sich riesige, mehrere Meter hohe Rotaugenschwärme mitten auf dem See am Gewässergrund in 20 Metern Tiefe versammelt hatten. Weite Teile des Sees waren fischleer und man hatte wirklich Mühe, die Fische zu finden. Ohne Echolot und vom Ufer nahezu unmöglich. Oft habe ich es auch erlebt, dass sich diese Schwärme dann im Laufe des Tages auflösten und im See weit verteilten. Waren morgens auf 2 Kilometer Bootsfahrt kaum Fische zu sehen, war der See bei der Rückfahrt plötzlich „voll“ Fisch!

Alle Rotaugen des Sees – so scheint es – sind hier versammelt

Was die Nahrung angeht, so finden Fische natürlich in Flachwasserzonen mit Pflanzenwuchs viel Nahrung, aber auch im Freiwasser gibt es Nahrung. Für Kleinfische ist das Zooplankton interessant und natürlich sind auch die schlüpfenden Mückenlarven, die vom Gewässergrund aufsteigen, fester Bestandteil der Nahrung auch größerer Fische (vor allem im zeitigen Frühjahr, wenn das Wasser noch kalt ist).

Im Freiwasser wird diese Nahrung durch Strömungen verdriftet, was bei der Fischsuche durchaus hilfreich sein kann. Dazu später mehr.

Nebenbei bemerkt folgen die Raubfische immer den Futterfischen, so wie jeder Angler sich auch meistens in der Nähe seines Kühlschranks aufhält! Insofern ist zuerst immer daran zu denken, wo die großen Friedfischschwärme zu suchen sind. In deren Begleitung finden sich die Räuber dann als Satelliten.

 

Gibt es sie doch – nützliche Strukturen an/in Talsperren?

Gratiger Felsvorsprung an einer Talsperre, der sich unter Wasser fortsetzt

Als ich noch ausschließlich Uferangler war, habe ich immer besonders nach Strukturen am Ufer geschaut. Ich weiß heute, dass ich das aus den bereits genannten Gründen früher deutlich überschätzt habe. Allerdings gab es bestimmte markante Stellen, an denen immer zu bestimmten Zeiten Fisch war. Am Edersee waren das z. B. im Frühjahr und Frühsommer die großen, tief ins Wasser ragenden Felsvorsprünge und steilen Wände, an denen die Barsche ihre Futterfische jagten und auch große Fische in sieben Metern Tiefe bissen. Leider habe ich z. B. an den Sauerland-Talsperren an solchen Stellen nicht die erhofften Fische gefunden.
Generell gelten auch Bereiche, an denen bei Stauseen das alte Flussbett überstaut ist, als fängig. Weitere Spots können Ecken von Buchtausgängen sein oder überstaute Bauwerke wie alte Häuser und Brücken.

 

Der Wind

Strömungen in den Talsperren entstehen größtenteils durch Wind, wenngleich auch ein immer ein Durchfluss vorhanden ist. Es ist auch schon oft beschrieben worden, dass sich Ufer mit auflandigem Wind besser zum Angeln eignen, wenn z. B. im Frühjahr warmes (oder sauerstoffreiches) Oberflächenwasser vor dem Ufer in die Tiefe gedrückt wird.

Überhaupt habe ich (im Sommer/Herbst) oft feststellen können, dass die Fische gerade dort stehen, wo auf dem Gewässer der meiste Wind herrscht. Meist unangenehm zum Angeln, aber so ist es nun mal. Oft mitten auf dem See. Aber es gibt auch im Uferbereich interessante Bereiche an so genannten Strömungskanten. Diese entstehen wie im Fluss an den Buhnen durch Ufervorsprünge, an denen der Wind in Längsrichtung vorbeiweht. Auch hier stehen die Fische gerne, ich kenne eine solche Stelle, wo sich regelmäßig Seeforellen aufhalten und zeigen.

Beispiel für Strömungskanten an Seen, Windrichtung Pfeil

Wechseln die Windverhältnisse deutlich, sind die Fische von vormals fängigen Topspot plötzlich verschwunden. „Wetterumschwung“ denkt man vielleicht, aber die Fische haben sich einfach nur in einen anderen Seebereich verzogen.

 

Fazit

Fassen wir also zusammen: In Talsperren sind Fische aufgrund fehlender Strukturen oft schwer zu finden. Sie stehen z. B. im Freiwasser und oft auch sehr tief. Wind und Strömungen beeinflussen das Verhalten der Fische stark. Im nächsten Teil des Artikels wird der Frage nachgegangen, welche Problem sich daraus für Angler ergeben, welche Besonderheiten es noch gibt und welche Schlussfolgerungen gezogen werden können.

Der Autor mit einem schönen Seesaibling aus den Sauerland-Seen

 

© Dr. Stefan Weigelt

22.04.2024

 

 

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