Teil II
Unser Köder – Mückenlarven und ihre Imitate
Mücken bilden – wie in Teil I beschrieben – eine der Hauptnahrungsquellen für Fische. Besonders auch im Frühjahr, wenn das Wasser noch kalt und nahrungsarm ist. Die Angeltaktik beim Fischen mit der Hegene besteht darin, diese Mückenlarven und Aufsteiger und deren Verhalten nachzuahmen. Dazu müssen wir zunächst eine solche Mückenlarve „nachbauen“.
So wie Wobbler beim Raubfischfang Beutefische imitieren sollen, müssen wir irgendwas auf einen kleinen Haken aufbringen, was wie eine Mückenlarve aussieht. Und darin sind ja die Fliegenfischer Meister. Sie imitieren Insekten, indem sie auf Haken allerlei Faden, Federn und anderes Material aufbringen, um die Fische damit zu verführen. Das kann zuweilen ein sehr kompliziertes Vorgehen sein, zum Glück ist das Herstellen von so genannten Nymphen (Mückenimitaten) für die Renkenangelei recht einfach.
Nymphen
Eigentlich bestehen diese Imitate nur aus einem Öhrhaken mit rund gebogenem Schenkel („Nymphenhaken“) und etwas Bindegarn oder rundes, dehnbares Kunststoffmaterial („Body Glass“). Man wickelt auf 2/3 der Länge farbiges Garn um den Hakenschenkel und am Öhr ein kleines Köpfchen, oft etwas anders gefärbt. Gerne werden wegen der besseren Hakeigenschaften geschränkte Haken verwendet.
Und das war es eigentlich auch schon! Naja, die Frage nach der Größe und Farbe ist noch offen. Bei der Größe kann man schon sagen, dass Hakengröße 14 ein gewisses Optimum bezüglich Größe, Hakeigenschaften und universeller Fängigkeit darstellt. Oft fressen die Renken kleine Tiere und man hat mit Hakengröße 16 mehr Bisse, verliert aber dann auch viele Fische durch Ausschlitzen. Im Frühjahr, wenn die Fische viel Hunger haben, kann man auch mit bis zu Größe 10 erfolgreich sein.
Sehr wichtig ist meiner Meinung nach die Form. Schlank bis sehr schlank sollten sie sein, die Nymphen. Die natürliche Beute ist es auch und die Hak- und Drilleigenschaften sind ebenfalls deutlich besser. Im Handel angebotenen Standardhegenen besitzen oft zu pummelige Nachbildungen.
Nymphenbinden ist natürlich auch eine Leidenschaft für sich und es gibt wahre Könner auf diesem Gebiet, die noch allerlei Details nachbinden. Da ist zum Beispiel die Körperrippung, die mit den bereits erwähnten Bodyglass automatisch erzeugt wird oder durch einen Rippungsdraht über der Fadenwicklung gelingt. Oder das Verwenden von Glitzerfäden, die Lockwirkung haben sollen. Ein besonders schönes Exemplar kann auch durch Techniken mit Pfauenfederkiel gebunden werden (siehe auch nachfolgende Fotos). Aber das soll hier nicht weiter vertieft werden.
Ja, und bei den Farben ist es wie bei Kunstködern sonst: der eine schwört auf rot, der andere auf schwarz, der dritte meint, man müsse alle Farben haben und stetig wechseln, weil die Fische immer auf andere Farben stehen würden. Naja. Ich habe meine eigene Meinung und fische zu 90% immer mit derselben Hegene, also Größe und Farbe (Größe 14 in lila und schwarz). Selten bis gar nicht habe ich persönlich bisher erlebt, dass jemand mit ganz anderen Farben mehr fing oder beißfaule Fische durch steten Farbwechsel in Schwung gebracht hätte. Es liegt meist an anderen Faktoren wie z. B. der richtigen Köderführung, wenn nichts oder wenig gefangen wird. Manchmal sind die Renken wie alle anderen Fische auch einfach träge oder satt und beißen gar nicht. Du hast tausende Fische auf dem Echolot und nix beißt! Die gängigsten Farben sind rot, schwarz und für mich auch violett. Wobei man wirklich wissen muss (!), dass die meisten Farben mit zunehmender Wassertiefe gar nicht mehr unterscheidbar sind und grau erscheinen – Rottöne sogar schon ab drei Metern Wassertiefe. Zu der Sichtigkeit von Farben unter Wasser kann man sich auf Seiten von Tauchern gerne weiter informieren.
Die Hegene
Eine Hegene ist im Prinzip genau das, was Angler zumeist unter einem „Paternostersystem“ verstehen, also ähnlich dem Herings- oder Makrelenpaternoster. Oberhalb eines Endgewichtes befinden sich Seitenarme, an denen die Köder befestigt sind. Bei der Hegene sind es standardmäßig fünf Seitenarme im Abstand von ca. 20 – 30 cm. Die Seitenarme sind dabei sehr kurz (um 3 cm) und stehen nach oben, um die feinen Bisse der Renken auch schnell erkennen zu können. Die Nymphe wird mit einem Schlaufenknoten befestigt, damit sie frei im Wasser spielen kann.
Hier ist stets zu beachten, wie viele Anbissstellen am jeweiligen Gewässer erlaubt sind. An den Sauerland-Seen sind beim Fischen mit der Hegene höchstens fünf Anbissstellen je Angelrute erlaubt. Ich weiß von Gewässern, wo auch bei Hegenen nur eine Anbissstelle erlaubt ist. Das heißt übrigens nicht unbedingt, dass man schlechter fängt.
Hegenen werden übrigens auf kleine Spulen aufgewickelt und es gibt auch Boxen dazu.
ACHTUNG – Hegenen sind bösartig!!
Hegenen haben den Hang, sich überall im Boot und an allen möglichen Gegenständen festzukrallen und diesen Zustand möglichst lange beizubehalten, dass habe ich mal irgendwo gelesen und es stimmt! An Handtüchern, an anderen Ruten im Futteral, im Kescher, in der Kleidung – an allem, alles was so da ist. Daher möglichst immer aus dem Boot raushalten. Mit der Hegen habe ich schon meine bis dato teuerste Pol-Angelbrille aus dem Boot geschlenzt und in den Tiefen des Sees versenkt. Bei Gegenwind schlug mir die Hegene schon einmal so ins Gesicht, dass sich kurioserweise eine Nymphe in meiner Zunge verhakte. Es war ein Glück, dass ich an diesem Tag einen Angelkollegen im Boot hatte, der früher Rettungssanitäter war und mir den Haken mit einer Arterienklemme sofort herausziehen konnte. Das hätte ich natürlich alleine nie geschafft und den Arzt konsultieren müssen …
Wer seine Hegenen nicht selber fertigt, findet im Netz auch Seiten von Profis wie Michael Bierbaumer aus Österreich, die fängige Hegenen verkaufen. Die im Standardsortiment angebotenen Hegenen der Angelindustrie sind meist weniger geeignet, da oft zu plump und dick gebunden. Es gibt im Internet zahlreiche Videos und Anleitungen zum Hegenenbinden.
Rute und Rolle für die Bootsfischerei
Wir widmen uns nun erst einmal der Bootsangelei mit der so genannten Hebe- oder Zupftechnik. Das Angeln mit Hegene und Pose werden wir im dritten Teil besprechen.
Wie erwähnt, sind Renken kampfstarke Fische mit weichem Maul. Daher empfiehlt es sich grundsätzlich, mit einer Angelrute zu fischen, welche die starken Fluchten der Fische gut abfedert. Es gibt für die Bootsangelei spezielle Felchenruten, die eine durchgehende Aktion aufweisen und bis ins Handteil arbeiten. Da diese vom Boot gefischt werden, beträgt die beste Länge 2,10m bis 2,40m. Es sind auch Ruten geeignet, die in den Bereich UL fallen, also Wurfgewischte um 0-15g haben. Das ergibts ich aus der Größe der Fische und den verwendeten Bleigewichten bis 10g.
Bei den Rollen gibt es zwei grundsätzliche Varianten. Man kann hervorragend mit sehr kleinen Stationärrollen fischen, eingefleischte Renkenangler schwören aber auf Achsrollen. Es gibt Achsrollen, welche speziell für das Renkenfischen gefertigt werden. Sie haben ein sehr leicht laufendes Lager, damit auch Endgewichte um 4g die Spule in Bewegung bringen und die Schnur abrollen lassen. Eine Bremse gibt es meist nicht, man bremst die Spule beim Drill mit dem Handballen, so wie es auch viele Fliegenfischer tun. Es gibt preiswertere Alurollen auf dem Markt und Carbonrollen. Die ultraleichten Carbonrollen haben allerdings auch ihren Preis, da hier kein Massenmarkt vorhanden ist. Die nachfolgend abgebildete Alurolle wiegt 134g, die Carbonrolle ist mit 90g schon deutlich leichter.
Die Montage
Und damit wären wir auch schon bei der Montage. Das Thema Hauptschnur spaltet schon wieder die Hegenenangler – manche schwören auf Monofil, weil es zusätzlich die Fluchten der Fisch über die Dehnung abfedert. Ich bevorzuge eine ganz dünne geflochtene Schnur (0,06er), um immer direkten Kontakt zu der Hegene zu haben und den geringstmöglichen horizontalen Wasserwiderstand beim Treiben oder bei Strömung. So fein wie möglich fischen heißt auch, die vorsichtigen Bisse oftmals überhaupt erst erkennen zu können! Es gibt geflochtenen Schnüre, die regelmäßige Farbwechsel bei z.B. 5m oder 1m, 10m haben. So kann man schnell mal gezielt die Tiefe wechseln oder diese ausmessen, wenn man ohne Echolot unterwegs ist.
An das Ende der Hauptschnur bindet man einen Karabinerwirbel, vor den Wirbel kommt auf die Hauptschnur am besten noch einen große Gummiperle, um den Spitzenring der filigranen Ruten bei versehentlich zu weitem Einkurbeln zu schützen.
Die Hegene wird dann einfach in den Karabiner eingehängt. Ans untere Ende der Hegene kommt wieder ein (möglichst kleiner) Karabinerwirbel, in den das Endgewicht – ein Birnenblei – eingehängt wird. Auch hier wähle ich so leicht und fein wie möglich, meist nur 4-5g.
Und somit sind wir zunächst bestens gerüstet in den Sauerland-Seen auf Renkenjagd zu gehen. Fehlt nur noch der Renkenkescher. Da gibt es spezielle, flache Modelle mit großen, groben Plastiknetzen. Ein Kescher ist unbedingt nötig, denn die Fische schlitzen beim Herausheben aus dem Wasser sicher aus und auch eine Handlandung ist bei den agilen und flinken Fischen kaum sicher möglich. Das flache und grobmaschige, gummierte Netz brauchen wir, damit sich die vielen Haken der Hegene nicht im Kescher festhaken und zeitintensives Herumfummeln beim Lösen erforderlich machen.
Echolot – ja oder nein?
Einige Angler lehnen ja die Verwendung dieses Hilfsmittels ab, da man dann „gar kein echtes Angelerlebnis“ mehr hätte. Dem liegt oft die Gewissheit zugrunde, mit Echolot brauche man die Fische nur finden, dann würden sie quasi schon von selber ins Boot springen. Das ist aber überhaupt nicht der Fall. Da Renken meist tief am Grund im Freiwasserbereich zu finden sind, ist es auf den riesigen Wasserflächen der Talsperren oder Alpenseen eigentlich zwingend nötig, ein Echolot zu nutzen. Man muss auch einfach die richtige Tiefe finden, in der sich die Renken gerade aufhalten. Oft muss man selbst mit Echolot schon lange umherfahren und suchen. Und finden heißt auch noch lange nicht fangen, wenngleich die Erfolgswahrscheinlichkeit doch um ein Vielfaches steigt.
Wer genau hinschaut, erkennt oft auch den Aktivitätsstatus der Fische. In den folgenden zwei Bildern sehen wir zunächst einmal ruhende oder schwebende Fische. Hier ist die Angelei oft zäh, ab und zu beißt mal ein Fisch. Im zweiten Bild aktive Fische. Man erkennt an den wellenförmigen Echos mit kleinen Spitzen, wie die Fische aktiv sind und nach aufstrebenden Mückenlarven steigen. Selbst Bisse, also wenn die Renken nach der Hegene gestiegen sind, sind auf dem Echo gut sichtbar.
Die Angeltaktik
Die Begriffe „Zupfmethode“ oder „Heberute“ sagen schon einiges über die Angelmethodik aus. Tatsächlich wird die Hegene an der Angelstelle senkrecht vom stehenden Boot abgelassen, bis sie Grund erreicht. Dann kurbelt man die Schnur stramm, bis die Rute etwas ausgelenkt ist und sich die Rutenspitze direkt über der Wasseroberfläche befindet. Dies ist die Ausgangsposition. Nun wird die Rute LANGSAM angehoben, etwa 10cm pro Sekunde, BITTE NICHT SCHNELLER! (Wir zocken und pilken hier nicht!!).
Damit imitieren wir aufsteigende Mückenpuppen. Der Biss zeigt sich entweder dadurch, dass die Rutenspitze ausschlägt, zuckt oder beim Heben einfach stehenbleibt. Manchmal spürt man auch ein feines Vibrieren bis ins Handteil. Es ist sofort unverzüglich anzuschlagen! Es gilt, einerseits mit viel Gefühl aber beim Biss mit schneller resoluter Reaktion zu fischen. Im Frühjahr und wenn die Fische richtig in Fresslaune sind, kommen die Bisse aber oft auch heftig.
Nochmal: das zu schnelle Heben und Senken – sehe ich oft auf dem See – ist ein großer Fehler. Manchmal kann das beißfaule Fische oder Barsche zwar ausnahmsweise locken, aber in der Regel bewegt man seinen Köder damit unnatürlich!
Generell ist in flacherem Wasser leichter zu angeln, die Bisserkennung ist besser, das Handling unkomplizierter. In größeren Tiefen wird es schwieriger, zu angeln, aber auch das Boot zu verankern. In den Gewässern des Sauerlandes sind die Fische oft in 12-16m zu finden, eine gute Wassertiefe zum Zupfen.
Fische finden
Gerade in Talsperren stehen Renken oft in Gewässermitte, dort, wo der Wind ordentlich hineinbläst. Die Strömung bringt den Fischen Nahrung. Das Angeln ist dort oft ungemütlich.
Das Suchen kann zum Problem werden, wenn sich die Fische zum Sommer hin in größeren Tiefen zurückziehen und überall im Gewässer sein können. Manchmal stehen sie an kleinen Stellen in riesigen Schwärmen zusammen und regen sich kaum, manchmal scheinen sie sich aber auch im gesamten Gewässer ausgebreitet zu haben.
Es lohnt sich immer, zunächst mehr Zeit zum Suchen zu investieren. Findet man einen Schwarm, so ankert man dort nicht vorschnell, sondern schaut geduldig, ob an der Stelle regelmäßig Fisch vorbeikommt. Der Klassiker ist nämlich der, dass man Fisch sieht, aufwändig ankert, alles bereit macht. Und wenn man anfangen will zu angeln, der Fisch weg ist und kein neuer erscheint.
Da Renken im Drill sehr mobil sind, sollte man übrigens unbedingt mit langer Leine so ankern, dass die Fische nicht in die Ankerleine fliehen können und nur monofile Ankerleinen verwenden! Aus dieser kann man die Hegene gut lösen, falls doch mal etwas schief geht.
Beißzeiten
Zum Thema Fresslaune: man beobachte die Wasseroberfläche und schau nach schlüpfenden Mücken. Mücken schlüpfen an Sonnentagen eher morgens und abends, an bewölkten Tagen mitunter den ganzen Tag. Schlüpfen Mücken im Sommer nachts, sind die Fisch manchmal am folgenden Tag satt gefressen und beißen schlecht. Renken haben manchmal ausgeprägte Beißzeiten. Manchmal sieht man riesige Schwärme unter dem Boot, hat aber keinen einzigen Biss, die Fische sind inaktiv. Auf einmal kann es dann aber losgehen. Renken haben einen kleinen Magen und beginnen in der Regel alle 6 Stunden wieder zu fressen. Ich habe aber schon oft Überraschungen positiver und negativer Art gemacht. So lud ich einen Angelfreund aus Hessen extra zum Renkenfischen ins Sauerland ein, hatte die Vortage auch gut gefangen und einen schönen Spot ausgesucht. An dem Tag jedoch, an dem er mich dann besuchte, fingen wir den ganzen Tag zwar kleinere Barsche, Rotaugen und sogar eine Brasse auf Hegene, aber KEINE EINZIGE Renke. Das war das erste mal in 5 Jahren, dass mir so etwas passierte! Aber so ist Angeln eben und das ist auch gut so. Es soll spannend bleiben. Ein anderes mal standen die Blaufelchen im Spätherbst in knapp 10 Metern Tiefe vor dem Bootssteg. Ich hatte den Tag über draußen in der Tiefe vergeblich gefischt und wollte anlegen. Es war schon fast dunkel, aber ich versuchte es trotzdem noch einmal. Ich hatte eine Posenrute ausgelegt und fing mit der Heberute an zu zupfen. Die Fische bissen, als hätten sie drei Jahre lang nichts gefressen. Ich konnte nur noch mit einer Rute fischen. Selbst im fortgeschrittenen Dämmerlicht waren die Renken in der Lage, in zehn Metern Tiefe meine Köder zu finden und zu attackieren. Es waren sehr große Fische dabei.
Saison
Generell sind die Renken im Frühjahr/Frühsommer besser zu fangen als im Hochsommer, wenn das Wasser sehr warm wird. Im Herbst habe ich auch schon sehr gut gefangen, aber auch Jahre gehabt, in denen da nicht viel ging. Auch im Winter haben wir am Listersee nach der Schonzeit schon gut in 14 Metern Tiefe gefangen. Die Fische bissen ganz vorsichtig, hatten einen leeren Magen, fraßen also eigentlich gar nicht.
Mit der Wassererwärmung auf zehn Grad kommen Renken im Frühjahr auch ins flache Wasser, bis auf vier Meter herauf habe ich schon Blaufelchen gefangen. An einigen Talsperren können im zeitigen Frühjahr im oberen Seeteil große Mengen Kleine Maränen und Blaufelchen sogar vom Ufer aus gefangen werden, wie ich persönlich schon erlebte.
Und damit wären wir beim Thema des dritten Teils dieser Reihe, den ihr bald hier lesen könnt, nämlich das Angeln mit der Hegene vom Ufer aus!
© Stefan Weigelt 31.03.2021